Wie ich wurde was ich bin

Porträt Franzi 2022

Wie ich wurde was ich bin – mein Weg von der Steuerberatung zu Kleine Franzosen und schöner sichtbarer Kindermode.

Angefangen hatte ich dieses Blogthema schon vor Monaten angeregt durch die Boom Boom Blog Challenge von Judith Peters aka Sympatexter. Zeit ist nicht immer mein bester Freund, aber angefangen und unveröffentlicht liegen lassen wollte ich auch nicht. Und was passt besser 4 Jahre Selbständigkeit zu feiern, als ein Rückblick wie es dazu kam und wie es weitergeht. Happy Birthday Kleine Franzosen.

Handwerklich unterwegs bin ich seit ich denken kann

Meine Eltern sind beide Ingenieure und Kinder-Werkzeugkoffer und eine DDR-Fisher Price-Variante gehören zu meinen ersten Spielzeugerinnerungen. Heute bauen meine eigenen Kinder mit meinen alten Schraubstäben, Muttern und Steckverbindungen wann immer sie bei Oma und Opa sind, Schwerter, Kräne und was auch sonst die alten Spielzeugteile hergeben.

In den Westen

Schon 1984 ging es für mich, meine Eltern und meine Schwester von Thüringen nach Hessen. Hinter meinen Eltern lagen 3 Jahre Ausreiß-Antrag und ich kam kaum in Darmstadt angekommen in die 1. Klasse. Schon lange bin ich meinen Eltern dankbar, dass sie mir eine Kindheit in der ehemaligen DDR erspart haben. Meine direkte, nicht immer diplomatisches Art und Pioniere und ähnliche Kontrollsysteme wären irgendwann aneinandergeraten.

Im Keller

Werken und Polytechnik gehörten bis zur Gymnasiums-Unterstufe zu meine Lieblingsfächern und die Hausaufgaben hierfür erledigte ich mit Opa in seinem Mini-Mieter-Keller. Meine Großeltern väterlicherseits waren uns nachgezogen und im Nachhinein frage ich mich, ob sie wirklich die ganze Leberwurst im Glas selbst gegessen haben, bei der Anzahl von Schrauben, Nägeln und anderen Eisenteilen, die jetzt darin ihren Platz hatten.

Bücher und das wahre Leben

Je älter ich wurde, umso mehr verschwand die Lust am Arbeiten mit den Händen. Bücher waren meine neue Welt. Hier gab es Abenteuer, Freundschaften und graue Herren, die mich viel mehr fesselten als Schule und Lernen fürs Leben. Ein Praktikum holte mich zurück in die Realität und zwischendurch wollte ich Pharmazie studieren und hatte einen 3-Tages-Test für eine Fluglotsen-Ausbildung in der Tasche..

Nach dem Abi

Ich hatte so gar keinen Plan, keine Ahnung was ich studieren könnte und einen miserablen Durchschnitt. Also sagte ich ja zu der kaufmännischen Ausbildung die mir meine Eltern als Bedingung für anschließende Studiums-Unterstützung setzten. Die Ausbildung unterforderte mich zwar, aber ich hatte nach kurzer Zeit ein Ziel vor Augen. Ich wollte Wirtschaftsrecht studieren. 2,5 Jahre später schrieb ich mich als Studentin an der damaligen TFH Wildau südlich von Berlin für Wirtschaft und Recht ein und zog von Hessen in ein Wohnheim-Zimmer in Berlin-Lichtenberg.

Studentenzeit in Berlin

Nach Berlin zu gehen, war eine der besten Entscheidungen meines Lebens. Und das ist es bis heute. Alles war im Wandel, die Lebenshaltungkosten Anfang der 2000er noch im Keller, meine Kommilitionen und Freunde aus der Studentengemeinde kamen von überall her und es war war egal, woher Du kamst und was Du vorher gemacht hattest. Mein neues Multi-Kulti-Leben in Berlin war für mich wie ein Ankommen, nachdem ich in Hessen nie wirklich Wurzeln schlagen konnte. Und ich wusste schon damals: „Ich will nie wieder hier weg.“

Ich bin ein Harry Potter-Maniac

Dieser Zauberlehrling begleitet mein Leben seit 22 Jahren und die Leidenschaft für die Bücher, Filme und das Theaterstück wird immer stärker. Mein letzter Einkauf in Darmstadt war „Harry Potter and the philosoper´s stone“. Das 1. Buch, dass ich mir freiwillig auf Englisch gekauft habe, war meine kleine Welt als ich anfangs in Berlin noch niemanden kannte. In Berlin fing ich an, freiwillig Filme im Original zu gucken und meine Leidenschaft für Harry Potter, the wizarding world, die englische Sprache, für England, mein Royal Family Spleen und vieles mehr nahm zu dieser Zeit mit Sicherheit seinen Anfang. Mein Mann ist übrigens der Meinung, dass ich diesbezüglich ein bisschen durchgedreht bin und mein 5. Kind durfte ich auch nicht Severus nennen, aber damit kann ich wunderbar leben.

Los Angeles und Lufthansa

Englisch nur Lernen und Lesen reichte mir bald nicht mehr und ein Praktikum in Kalifornien bei Lufthansa wollte ich mir nicht entgehen lassen. 6 Monate packte ich meine Koffer und wurde tagsüber zum Sales-Intern, abends zum Beachvolleyball-Girl und am Wochenende radelte ich mit meinem rosa Cruiser den Strand von Redondo Beach im Süden nach Venice und Santa Monica im Norden rauf und runter. Zurück in Berlin fragten mich zwar Freunde, warum ich meine Karierre in Hollywood an den Nagel gehängt hätte (hier war eindeutig Fehlinformation im Spiel), aber LA war eindeutig keine Stadt zum Leben für mich. Zuviele Autos (ich hatte davor und danach nie wieder eins), zuwenig Radwege und Weihnachtsstimmung bekomme ich bei 21°C im Dezember auch nicht.

Ich will Steuerberaterin werden

Zurück im 7. Semester in Wildau bekam ich eine Vorstellung davon, was nach dem Studium kommen könnte. Frau Dr. Mody, kam Montag für Montag aus Hamburg, machte in rasendem Tempo superintessante Steuerrechts-Vorlesung und hatte nebenbei uns 60 Leute unter Kontrolle. Die Frau imponierte mir sofort und auch wenn ich mit noch soviel Lernen immer nur am „gut“ entlang schrammte, war Steuerrecht sofort mein Lieblingsfach und ich wusste, ich will Steuerberaterin werden.

Umsatzsteuer und ein Ausflug nach München

Mein 1. Job nach dem Studium war mein damaliger Traumjob in der Umsatzsteuerabteilung von PWC und hatte nur einen Haken. Ich sollte nach München umziehen. Ohne jemals vorher dort gewesen zu sein, war diese Vorstellung für mich einfach nur grässlich. Gegensätzlicher als Berlin konnte ich mir München kaum vorstellen, fand die Vorstellung mit Kollegen aufs Oktoberfest gehen zu müssen gruselig und hatte keine Ahnung, ob mein Associate Gehalt für ein WG-Zimmer reichen würde. Im Nachhinein hätte ich mir diese 1,5 Jahre besser erspart, aber ohne hätte ich nicht meine liebe Freundin Anika kennengelernt. Ein Dirndl habe ich natürlich trotzdem getragen und bis heute stolz im Schrank hängen und Umsatzsteuer ist meine Lieblings-Steuerart geblieben.

Kleine Franzosen werden geboren

Zurück in Berlin quälte ich mich mehrere Jahre durchs Steuerberaterexamen und tingelte durch entsprechende Jobs, bis 2013 meine großen Zwillinge das Licht der Welt erblickten. Wie viele Mütter begann ich ab diesem Zeitpunkt Kaufkleidung für meine Kinder zu hinterfragen und zerschnippelte lieber alte Jeans und Pullover meines Mannes, die dann natürlich ein passendes Label brauchten. Kleine Franzosen war geboren. Das Nähen dazu brachte ich mir Stück für Stück mit Videos, Büchern und Kursen bei Frau Tulpe bei. Genäht habe damals auf der über 70 Jahre Veritas meiner Oma, die schneller nähte als ich den Stoff halten konnte.

Nebenberuflich selbständig

In den folgenden Jahren als aus 2 Kindern 5 wurden, arbeitete ich weiter als Steuerberaterin. Gleichzeitig verschoben sich meine Prioritäten im Hinblick auf Arbeitszeit, Wohnort und „was will ich die nächsten 25 Jahre machen?“. Nebenberuflich nähte ich private Bestellungen für Kinderbekleidung, probierte mich aus und hatte schwitzige Hände als ich meinen ersten Stoffballen bestellte. Eine Woche vor der Geburt meiner kleinsten Kinder eröffnete ich noch einen Dawanda Shop (wer kennt das überhaupt noch?) und hatte ab da an meine ersten nicht persönlich bekannten Kunden. Am 9. November 2018 unterschrieb ich meinen Antrag auf Gründungszuschuss und machte mich mit Kleine Franzosen hauptberuflich selbständig.

4 Jahre Selbständigkeit im Schnelldurchlauf

  • Auf Dawanda folgte Etsy, die eigene Website und immer wieder habe ich Kooperationen mit anderen Unternehmerinnen, die meine Produkte in ihr Sortiment aufnehmen.
  • Schöne sichtbare und reflektierende Kinderkleidung zu nähen war mein Kick im 2 Gründungsjahr und ohne diesen Schritt hätte ich wahrscheinlich nicht bis heute durchgehalten. Das Sortiment ist klein aber fein. Im Frühling/Sommer farbenfroh und im Herbst/Winter komme ich um kuscheliges und reflektierendes nicht drumherum. Für eingekaufte Fremdleistungen fehlt mir schlichtweg das Budget. Stattdessen experimentiere ich schon länger mit (reflektierendem) Siebdruck und bin begeistert, was damit möglich ist und werden könnte.
  • Schulaccessoires und Mini-Me in Form der Walhai-Stiftemäppchen und Musselinröcke für Kinder und Frauen zu machen, war die beste Entscheidung im letzten Jahr. Seht ihr übrigens auch so, weshalb ich nicht müde werde, mir immer neue Farb- und Stoffkombinationen auszudenken.
  • Märkte sind für mich nicht mehr wegzudenken. Bei meinem ersten Weihnachtsmarkt hatte ich mir noch einen Stand geteilt und mich gefragt, was ich über 2 Tage verkaufen könnte. Heute gehören sie zu meiner festen Jahresplanung und ich mag den offline Austausch mit den Kunden und meine Produkte in echt zeigen/erklären zu können.
  • Der kokodolores Sew Along zum Thema Underwaterlove hat mir in diesem Frühling einen Kreativitätsschub und Lust aufs Weitermachen (mit Siebdruck) gegeben.

Wie geht´s weiter?

Schon länger überdenke ich mein aktuelles/bisheriges Konzept und Sortiment. So schön die Märkte auch sind, der Druck dabei sein zu müssen, um den Umsatz stabil zu halten, zerrt an mir. Der Blog sollte eigentlich regelmäßig erscheinen und einen Newsletter schreiben möchte ich auch und jedesmal läuft mir die Zeit davon. Die derzeitige Inflation mit steigenden Preisen hinterlässt auch Spuren in meinem Unternehmen. Und das wichtigste sind meine Kinder. Sie werden größer und lange wird es nicht mehr dauern, bis sie der Kinderkleidung, die ich ursprünglich für sie zu nähen angefangen hatte, entwachsen sind. Sie gehen ihren Weg und ich gehe meinen. Ein bisschen anders als der jetzige, aber mit Plan und Vorbereitung. Und der könnte gut werden. Denn was ich nach 4 Jahren Selbständigkeit weiß ist: Kreativität macht mich einfach glücklich.

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